Freitag, 27. Januar 2012

Unter der Brücke

Wir waren unzertrennlich… über 50 Jahren. 

Wir gingen durch dick und dünn, ob kalt oder heiß, süß oder sauer und waren ein starkes Team. Unsere gemeinsame aktive Zeit verbrachten wir beim essen. Deine Besorgnis, ich könnte mich ständig verschlucken weil ich so schnell aß führten bis hin, dass du mir jedes Schnitzel oder Steak in Windeseile klein schnittest. Besonders meine Vorliebe für Süßem und deren Mengen, konntest du absolut nicht verstehen, im Gegenteil, du konntest es überhaupt nicht ab.
Unterstützt durch mein Lachen, zeigtest du dich auch hin und wieder gerne als mein Begleiter in der Öffentlichkeit.
Du warst mir ein Hilfe, wenn es darum ging gewisse Wörter richtig und vor allem deutlich auszusprechen. Doch irgendwann… das müssen jetzt 25 Jahre her sein… fingst du an zu zicken. Vielleicht warst es auch nicht du, sondern der eine oder andere Kumpel von dir, doch ich musste mich gegen die gesamte Klicke entscheiden. Du warst nun mal mitten mang und gehörtest dazu, also habe ich dich auch sowas von klein gemacht… nein, klein machen lassen und anschließend habe ich dich verbannt. Von diesem Zeitpunkt an warst du gezwungen dein bescheidenes Dasein unter der Brücke fortzusetzen. Auch das hast hingenommen und dich nie beschwert. Ich habe dir dein Gesicht genommen, doch im Inneren behieltest du deine Stärke und die Aufrichtigkeit mir gegenüber. Ich brauchte dich, ich benutzte dich, es war so selbstverständlich.
Vor zwei Wochen bist du unter der Brücke zusammengebrochen. Ich gebe zu, ich war geschockt… aber, war ich denn geschockt, dass du zusammengebrochen bist oder die Selbstverständlichkeit das du zu funktionieren hast? Ich weiß, ich habe viel zu viel Druck auf dich ausgeübt, einfach so, ohne Notwendigkeit, immer massiver, immer öfter… aber bitte, du musst mir glauben, es war nicht mit Absicht und bewusst… im Gegenteil, ich ermahnte mich immer wieder selbst; „lass locker, entspann dich, Ela“ sagte ich mir sobald ich es bemerkte. Das musst du mir glauben.
Das deine Zeit der Rache gekommen ist, kann ich verstehen… ok, auch deinen Zusammenbruch kann ich ein wenig nachvollziehen, aber musst du deshalb auch gleich die Brücke beschädigen? Jetzt hab ich im wahrsten Sinne des Wortes die A-Karte an (in) der Backe! Hey, kapier doch; es tut außerdem weh! Wolltest du mir damit klar machen wie wertvoll du für mich warst? Entschuldige… ich sollte an dieser Stelle noch nicht in der Vergangenheitsform sprechen/schreiben, noch lebst du ja, oder zumindest ein Teil von dir… aber ja doch, ich weiß sehr wohl deinen ideellen Wert zu schätzen und was deinen materiellen Wert betrifft… ja was soll ich sagen… so leid es mir auch tut, du musst aus meinem Leben verschwinden. Am kommenden Dienstag habe ich einen Termin bei einem Typen, der was davon versteht und den Auftrag bestimmt erledigt. Übrigens, auf seinem PC bekam er schon ein Foto von dir geschickt, na ja, er muss ja wissen wie du aussiehst… undenkbar wenn er den Falschen… mmmm, wie soll ich sagen… aus dem Verkehr zieht. Gemeinsam mit ihm werde ich alle Vorgehensmaßnahmen treffen, auch wie du zu ersetzen bist und ich werde es letztendlich Schwarz auf Weiß haben, wie hoch genau dein materieller Wert ist, bzw. war. Und glaub mir mein Freund, diese Zahlen werden dafür sorgen, dass du bis ans Ende meines Lebens unvergesslich bleibst! 1:0 für dich!
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Das war eine wahre Geschichte aus meinem Leben. Nein, es ist eine wahre Geschichte aus meinem Leben… ne ne, es ist ja noch keine Geschichte weil sie noch voll im Gange ist… Was ist es denn dann? Ok, ich einige mich auf eine Gegenwartgeschichte… und die Moral davon:
Ich soll nicht alles als selbstverständlich hin nehmen, was in und an mir, zu einem gesunden und normalen Leben beiträgt.
Und sei es auch nur einen Zahn, der als Brücken mit Träger, dummerweise an der Wurzel abbricht!
Oder,
sollte ich mir doch eher Sorgen machen, weil ich einen Dialog mit einem abgebrochenen Zahn führe…?
Ach was, 50 Jahre treue Dienste müssen belohnt werden und ich kann den kaputten Zahn wohl schlecht hin eine goldene Armbanduhr zum Abschied schenken. Immerhin, durfte er sein halbes Leben lang eine Krone tragen.
In diesem Sinne, ein schönes W-Ende und liebe Grüße!

17 Kommentare:

  1. Mensch war das nun spannend, bis zuletzt. Also dass es sich um deinen Zahn handelt, darauf wäre ich wirklich nicht gekommen.

    Einfach ganz toll und spannend geschrieben! Kompliment!

    Ein schönes Wochenende wünscht dir von Herzen
    Alice

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  2. Ela- nach 50 Jahren täglichem Einsatz hat so ein Beisserchen auch ausgedient! Glaube mir- einige der meinigen waren eher dran!
    Und eine Krone tragen zu dürfen - das hat wirklich nicht jeder(Zahn):-)
    Musst nun halt mehr Suppe essen lach

    LG + schönes Wochenende wünscht Dir
    elma

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  3. Hallo liebe Ela, ich blieb ratlos bis zuletzt und hätte nie gedacht, dass dein Zahn dahinter steckt. :))
    Schön und interessant beschrieben!
    Ganz liebe und herzliche Grüße schicke ich dir. Bina :-)

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  4. Liebe Ela,
    ach, was für eine spannende Geschichte.
    Zuerst habe ich gedacht, die Ärmste, jetzt muß sie unter der Brücke schlafen.
    Dann habe ich es begriffen. So etwas habe ich auch schon erlebt. Im August mußte ich mich auch von meinen im Oberkiefer verabschieden. Glaub es mir, ich habe sie bis heute nicht vergessen und trauere ihnen immer noch nach.
    Den anderen habe ich versprochen mich besser um sie zu kümmern.
    Liebe Ela, man gewöhnt sich an alles.
    Ein schönes Wochenende und liebe Grüße
    Ingeburg

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  5. ...deinem Zahn liebe Ela meine letzte Hochachtung, er hat dir wirklich viel gegeben...er hat nun Ruhe verdient...:-)))...ein schönes Wochenende auch ohne ihn wünscht dir die Geli

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  6. ...das hast du sehr schön und spannend geschrieben, liebe Ela,
    ich habe unterwegs mal kurz gedacht, sofort runter scrollen zu müssen, um zu schauen, wem was passiert ist...;-)
    deinem Brückenproblem wünsche ich eine gute Lösung,

    lieber Gruß von Birgitt

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  7. Oweiah, erinnere mich nicht daran, meine sind auch schon so lange drin...Das wird ein "Spass" wenn die den Geist aufgeben. Toll geschrieben liebe Ela!
    GLG aus dem sehr glatten Osten,
    Sue

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  8. Eine Lustige Geschichte hast Du da gemacht.Mir ist vor dem Urlaub ein uralter plombierter Zahn ausgebrochen.Da ja der Nerv schon abgetötet war hat es nicht wehgetan.Und nur weil ich ein Karo Schokolade genascht habe.Der Zahnarzt konnte den Zahn aber retten.Die alte Quecksilber-Plombe hat er entfernt,eine schöne Porzelanfüllung hat er gemacht und den Zahn schön glatt poliert.So wird man nach und nach die schädlichen Plomben los.Ich durfte aber alles selbst bezahlen.
    Ganz liebe Grüße Christa

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  9. Hihihi....das ist ja mal eine super erzählte Geschichte. Am Anfang überlegt man sich wirklich VON WEM du da spichst *lach*
    ....superklasse geschrieben und am Ende muss man doch auch etwas schmunzeln. Das mit deinem ständigen Begleiter tut mir natürlich auch außerordentlich leid...! Hoffentlich wird`s nicht allzu schlimm...

    Hab noch ein schönes WE und viele liebe Grüße von der Nicole

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  10. Auf so etwas muss man erst einmal kommen. Grossartig geschrieben ich haette nie gedacht das es ein Zahn sein koennte.
    Alles Liebe aus suedlicheren Gefilden...

    Goatlady
    Josi
    www.goatdairy-tobago.com

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  11. tja, liebe Ela ... c'est la vie ... behalte ihn in liebevoller erinnerung. er war immerhin 50 jahre lang dein steady ... hoffentlich ist der abschied nicht zu schmerzhaft ... lg kri

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  12. Klasse geschrieben *lacht* das war ja Spannung pur bis zum Ende. Hoffe mal es geht auch ohne ihn und er wird sich daran gewöhnen nun ausserhalb verbringen zu müssen.

    Liebe Grüße zum Wochenende

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  13. Hallo Ela
    Total super deine Geschichte und so spannend bis zum Schluß.
    Das es sich da um einen Zahn handelt, da wäre ich nie drauf gekommen.
    Ganz toll geschrieben,mein Kompliment.
    Wünsche dir noch einen schönen Sonntag.
    Liebe Grüße
    Regina

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  14. Du hast dieser Geschichte wirklich die Krone aufgesetzt ;-)

    LG; dieMia

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  15. deine Geschichte ist so spannend wie ein Krimi!


    LG REgina

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  16. Hallo liebe Ela,
    es ist wie es ist.....Du bist ein wahnsinnig gute Erzählerin und ich habe voller Spannung jedes Wort verfolgt.....he - Du bist richtig gut!!!!!
    Danke - so habe ich heute bei unserem - im Rheinland - minuskalten strahlenden klaren blauen Himmelswetter - wieder mal eine Geschichte in meinem Kopf, die mich fröhlich stimmt. Aber that´s life.....;-)
    Danke!
    Wuff und LG Aiko

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