Dienstag, 22. Dezember 2009

2 x getauft...

…geht das überhaupt? Oh ja! Bei mir (bzw. unsere Familie) schon! Wie komme ich jetzt eigentlich darauf? Aus mehreren Gründen. Als erstes: beim auspacken bin ich auf meinen alten Kommunionandenken (bitte das Bild noch nicht anschauen) gestoßen. Zweitens: frage ich mich in letzter Zeit oft, wer wohl meine erste Taufpatin war (vielleicht auch noch ist.) Drittens: immer an meinem Geburtstag, frag ich mich; wie kann man/frau ein Kind in die Welt setzten und dann so einen Namen verpassen! Elfriede! Na ja, es ist ja nicht der schlechteste Name, nur ich habe ihn gehasst seit ich mich erinnern kann. Ich fand einfach, wir zwei gehören nicht zusammen! Wir passen nicht einander! Angeblich wurde er von unserer Oma-Dreyer ausgesucht. Sie war auch die Einzige, die mich so nannte.
Ich höre sie heute noch rufen… „Elfr-üüüüüü-de“ mit ‚ner singenden Stimme!
Von klein an wurde ich „Ella“ genannt. Mit Ausnahme von unserem Vater, der nannte mich grundsätzlich nur „Ello“. Er wollte einen Jungen und behandelte mich auch so. Ich machte mit (ich habe immer getan was man mir sagte)und hatte bei ihm dafür einen Stein im Brett. Aktuelle Ausnahmen sind nur noch Kalle und Klaus die mich „Elfriede“ nennen. Damit kann ich leben!
Was meint Ihr, wie gut dieser Name erst hier zu Lande ankommt? Man wird hier ja grundsätzlich mit dem Vornamen angesprochen oder aufgerufen. Das hört sich vielleicht bescheuert an: „El-freit“! Eher wie ein Gericht im Fast Food Restaurant!
Ich muss es mir angewöhnen und daran denken, immer wenn ich meinem Namen wo angebe/schreibe „Ela“ in Klammern hinzu zu fügen.
Ach ja, schwer hat man‘s bis ins hohe Alter!
Viele fragen mich, warum ich meistens mit „Ela“ unterschreibe. Ganz einfach „Ella“ bedeutet auf Spanisch „sie“ und wird „Elja“ ausgesprochen. Deshalb habe ich ein "l" amputiert.
So, jetzt wisst Ihr was ich von meinem Namen halte! Und weil das schon immer so war… erzähl ich Euch jetzt eine kleine Geschichte dazu.
Als wir Kinder waren, hatte unser Vater Zoff mit der Deutschen Schule in Independencia. Scheinbar ziemlich arg, denn er nahm meine drei größeren Geschwister aus der Schule. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt das Schulalter noch nicht erreicht. Der große Bruder wurde aufn Gaul gesetzt und musste jeden Tag einige Kilometer zur nächsten Kolonie reiten. Der zweite wurde nach Encarnación zur Tante gebracht und ging dort zur Schule. Meine Schwester war gerade mal sieben oder acht geworden, sie kam zu Bekannten nach Asunción und ging dort in der Katholischen Schule.
Ich war damals vier Jahre und hatte plötzlich keine Geschwister mehr!
Ein Jahr später. Auf einem anderem Grundstück das uns gehörte, lebte ein älterer deutscher alter Junggeselle, Eigenbrötler, Künstler und Lebenskünstler. Der Hans Stecher.
(ich habe heute noch ein Gemälde von ihm.)
Bei uns wurde immer pünktlich zu Mittag gegessen. Herr Stecher erschien auch jeden Tag pünktlich um kurz vor zwölf mit einer Ausrede und blieb bis das Essen auf dem Tisch stand und wohl oder übel gefragt wurde, ob er mitessen wolle. So dachten sich meine Eltern; wenn er eh schon hier isst, kann er der Ella auch das Abc und 1x1 beibringen.
Na toll! Ich zog das große Los!
Von nun an kam er weiterhin jeden Tag, nur brauchte er keine Ausreden mehr und bekam zusätzlich zum Mittagessen auch noch Frühstück und Taschengeld! Ich weis noch, einmal bekam ich Ärger und eine gescheuert, weil ich ihm verpetzt hatte. Er meckerte über den Cocido (Tee) und schüttete ihn aus dem Fenster weil‘s kein Kaffee war.
Ich kann mich an Vieles erinnern, aber bestimmt nicht daran, dass er mir was beigebracht hat.
Ein weiteres Jahr darauf, bemerkten die Eltern wohl meine Einsamkeit und holten die Veronika, ein Kind von Bekannten aus Encarnación, zu uns. Ich weis, es macht keinen Sinn, aber damals machte so sehr Vieles bei uns keinen Sinn. Das Thema Veronika, (sie war vier Jahre älter als ich) werde ich hier nicht weiter beschreiben. Das ist eine total andere Geschichte. Nur so viel, sie konnte weder lesen noch schreiben und durfte Stecher’s Unterricht mit mir teilen, aber sie hat mir mehr beigebracht als der Alte Knurrsack.
Nach zwei weiteren Jahren war ich gerade acht. Muttern ist mit uns vier Kinder (alle wieder Nachhausgepfiffen…) nach Villarrica gezogen. (ca. 35Km und die Busfahrt dorthin, habe ich in einem älteren Eintrag beschrieben).
Unser Vater blieb aufs Land und kam nur am Wochenende zu uns.
Ich war die Einzige, die noch kein Spanisch konnte… und auch sonst nichts konnte… doch das war den Eltern gar nicht so klar gewesen. Schließlich hatte ich doch zwei oder drei Jahre Unterricht beim Herrn Stecher.
Altersgerecht gehörte ich in die 3. Klasse und so wurde ich in der katholischen Nonnenschule eingeschrieben. Niemand sprach Deutsch (oder das Kauderwelsch das wir Deutsch nannten). Doch das war alles nur halb so schlimm. Das schlimmste war ja keinen Christlichen Namen zu haben! Und nicht getauft! Evangelisch getauft zählte nicht! Wir wurden so beschwätzt, das unsere Eltern ja zur (richtigen) Taufe sagten. Das einzige was ich daraus verstehen konnte und einen riesen Lichtblick an meinen bescheidenen Horizont war; ein neuer Name! Nie wieder Elfriede! Endlich würde man mit mir spielen, weil man meinen Namen aussprechen kann. Oh mein Gott war ich aufgeregt über diese Taufe! Das schönste, ich durfte mir selbst einen Namen aussuchen. Meine Eltern nahmen das alles gar nicht so ernst. Haben alles so schön mitgemacht, denn es sollte ja nur ein zusätzlicher 2. Vorname sein. Hätte ich damals schon den Spruch gekannt; „endlich gehöre ich nicht mehr zur Unterschicht“ dann wäre das mein wichtigster Satz gewesen.
Na gut, zu der zeit und die Hälfte meiner Schulkameradinnen, hatten einen Namen der mit „Maria“ anfing. Maria Mercedes, Maria Estela, Maria Graciela… ich fand das so schick und so war mein Wunschname „Maria Cristina“. Und so christlich!
Keiner hatte was dagegen und ich war im siebten Himmel!
Dann wurde ich getauft und gleich danach kam meine erste Kommunion. Und das hier ist die Bescheinigung!
Maria Cristina wurde mein Hauptname. Aus „Elfriede“ wurde „Wilfride“ gemacht und fünf Jahre lang, während ich auf dieser Schule ging, nie wieder erwähnt! Ich war nur Maria Cristina und niemand ahnte, dass ich noch einen dritten Name hatte. Elfriede oder Wilfride erschienen auf keinem Zeugnis oder sonstiges Schuldokument.
Mit dreizehn kam ich auf einer neuen Schule. Mein Vater ging hin und wollte mich einschreiben. ordnungsgemäß nahm er meine Geburtsurkunde und meine Grundschulabschlusszeugnisse mit.
Man fragte meinem Vater, welche der beiden Mädels er wohl anmelden wolle. Auf die Geburtsurkunde stand Elfriede Dreyer und aufn Zeugnis Maria Cristina Dreyer! Meine Güte war mein Vater sauer als er heimkam. Er musste bis zum Kultusministerium um das ganze in Ordnung zu bringen. Nur es war bestimmt nicht so schlimm, wie für mich wieder die Elfriede zu sein. Zumal ein halbes Duzend meiner alten Schulkameradinnen mit zur gleichen Schule gewechselt sind! Ich weis bis heute immer noch nicht, welche Taufe gilt denn nun. 2 x Taufen geht doch nicht. Demnach bin ich Evangelisch. Doch überall steht Katholisch… ist es verwunderlich, dass ich meinen eigenen Glaube habe? Was spielt es für eine Rolle?
Jetzt zu Weihnachtszeit und zu Gedenken an unserem Vater, hier eines der erlesenen Spruchwörter die er gern zitierte:
Die Religion ist unwichtig, nur der Glaube zählt!
In diesem Sinne, fröhliche Weihnachten! Lasst Euch schön beschenken, aber isst nicht zu viel! Dann müsst Ihr später nicht jammern!
Eure Ela, Ella, Elja, Elfriede, Wilfride, Maria Cristina… was auch immer.

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